Vater, Sohn und Heiliger Geist – oder bildlich gesprochen: ein alter Mann, ein junger Mann und eine Taube. So ist Gott in der christlichen Tradition häufig dargestellt. Denn Gott gilt als «dreifaltig». Damit will gesagt werden: Gott ist nicht eine Person, sondern drei Personen zusammen sind Gott.
Das Christentum versteht sich als eine monotheistische Religion, eine Religion also, die nur einen Gott kennt. Gleichzeitig ist die Dreifaltigkeit (lateinisch «Trinität») fester Bestandteil des christlichen Glaubens. Wer sich Christ:in nennt, muss von anderen monotheistischen Religionen wie dem Islam und dem Judentum kritische Fragen stellen lassen: Versteckt sich hinter der Vorstellung von «Vater», «Sohn» und «Heiligem Geist» als drei göttlichen Personen nicht der (unbewusste) Glaube an drei Gottheiten? Wenn das Christentum drei Personen als Gott verehrt, ist der Weg zur Vorstellung dreier Götter – zumindest für Aussenstehende – nicht weit.
Qualität vor Quantität
Dem Bekenntnis der Dreifaltigkeit Gottes liegen nicht quantitative Überlegungen zugrunde. Nicht die Frage «wie viele ist Gott?» stand anfangs im Raum, sondern die Erfahrung, «wie Gott ist», hat zum Glauben an die göttliche Dreiheit geführt.
So muss es nicht erstaunen, dass in den biblischen Schriften noch keine systematische Entfaltung Gottes in seiner Dreifaltigkeit zu finden ist. Gott wird in den alttestamentlichen Schriften dargestellt als Urgrund der Welt, der über der Geschichte steht und dennoch mit seiner Schöpfung in Beziehung tritt. Der Gott Israels offenbart sich den Menschen durch sein Wort, durch seine Weisheit und durch seinen Geist. Diese Offenbarungsmedien sprechen von Gottes Wirken in der Welt. An manchen Stellen gewinnen sie allerdings eine Eigendynamik, etwa in der prophetischen Aussage: «Der Geist Gottes, des Herrn, ruht auf mir. Denn der Herr hat mich gesalbt; er hat mich gesandt, um den Armen frohe Botschaft zu bringen, um die zu heilen, die gebrochenen Herzens sind, um den Gefangenen Freilassung auszurufen und den Gefesselten Befreiung» (Jesaja 61,1). Hier kommt der Geist Gottes als eine Person ins Spiel. Der Fokus der Aussage liegt allerdings nicht auf der Person an sich, sondern auf dem, was durch diesen göttlichen Geist in der Welt bewirkt wird.
Später, im Neuen Testament, identifiziert sich Jesus mit dem Propheten, der so sprechen kann: In ihm selbst erfüllt sich dieses Schriftwort (vgl. Lukasevangelium 4,18). Was Gott, der Schöpferische, hier und heute wirken will, geschieht durch ihn, Jesus von Nazareth, weil er von Gottes Geist erfüllt ist und sich ganz von dieser göttlichen Kraft bewegen lässt.
Gott erfahren
Zu jeder Zeit haben Menschen die Erfahrung gemacht, dass Gott kein «unbewegter Beweger» (Aristoteles) ist, der die zwar Welt geschaffen, sich dann aber zurückgezogen hat. Vielmehr ist Gott in dieser Welt präsent und begegnet Menschen da und dort. Namentlich im (menschgewordenen) Wort Jesus Christus und im Wirken des göttlichen Geistes wurden solche Gottesbegegnungen erfahren und verortet. So hat man ausgehend von der Erfahrung Gottes auf Gottes Sein geschlossen: Wenn Gott sich in Jesus Christus den Armen und Ausgegrenzten zuwendet, dann muss Gott selbst in seinem Wesen barmherzig sein. Wenn Gott die Jünger:innen Jesu nach seinem Weggang aus ihrer Reserve lockt und mit einem Geist des Muts, der Zuversicht und der Sprachfähigkeit ausstattet, dann will und wirkt Gott das Leben und die Gemeinschaft.
So, wie Gott sich österlich-pfingstlich erfahrbar gemacht hat, werden Menschen fortan in den christlichen Glauben eingeführt: Sie werden getauft «auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes» (Matthäusevangelium 28,19). In diesem kurzen Bekenntnis, das in dieser Prägnanz biblisch einzigartig ist, wird die erfahrene Dreiheit Gottes auf einen Punkt gebracht, der in weiteren theologischen Reflexionen wiederum breit entfaltet und diskutiert wurde.
Bilder für die Wirklichkeit
Gott wirkt vielfältig in dieser Welt, so die Erfahrung vieler Gläubigen. Im Christentum wird aus dieser Vielfalt göttlicher Wirkungen auf eine Vielheit – genauer auf eine Dreiheit – in Gott geschlossen. Dahinter steht der folgende Gedanke: Gott zeigt sich so, wie er selbst ist. Wenn Gott nun als «Vater» seinem «Sohn» in Liebe zugeneigt ist, wie es vor allem im Johannesevangelium deutlich wird, dann ist anzunehmen, dass Gott auch in sich und für sich Liebender ist. Lieben kann man aber nicht alleine. Zur liebenden gehört eine geliebte Person. Und weil Liebe stets ausströmt und über eine Zweierbeziehung hinausweist, kann durchaus von einer dritten Person im Bunde – dem «Heiligen Geist» – die Rede sein.
Verschiedene Bilder und Modelle wurden im Laufe der Geschichte bemüht, um die Dreifaltigkeit Gottes zu veranschaulichen. Mit Gott ist es wie mit einer liebenden familiären Beziehung: Zwei Menschen lieben sich, und aus ihrer Liebe geht neues Leben hervor. Das Bild der Familie mit Vater, Mutter und Kind wurde so zu einer Analogie für Gottes Wirklichkeit. Jedes Bild hat jedoch seine Grenzen, und so wirft auch dieses Familienbild in seiner Übertragung auf Gott Fragen auf: Ist ein Kind (und damit eine der drei göttlichen Personen) nicht faktisch unter- bzw. nachgeordnet? Welche Auswirkungen auf das Gottesbild hätte die Tatsache, dass eine Familie nicht zwingend nur aus drei Personen besteht? Welche Erwartungen an das Geschlecht der Beteiligten weckt der Begriff der Familie?
Ein frühes Bild für den Glauben an die Dreifaltigkeit Gottes stammt von Irenäus von Lyon (200 n. Chr.): Der Theologe deutet den Sohn Gottes und den göttlichen Geist als die beiden Hände Gottes, mit denen der Urheber allen Lebens diese Welt mitgestaltet und in ihr wirkt. Bilder wie dieses können dazu verleiten, die Dreiheit Gottes in Richtung eines strikten Monotheismus wieder zu relativieren: Im Grunde ist Gott demnach vorstellbar als eine Person, die einfach verschiedene Gestalten annimmt, um in der Welt gegenwärtig zu sein.
Im Fokus die Beziehung
Gott wirkt und ist Beziehung. Die drei göttlichen Personen sind daher nicht je für sich zu verstehen und zu beschreiben, sondern in ihrem Verwiesen-Sein aufeinander: Der «Vater» ist Vater nicht ohne den «Sohn». Ihre Verbundenheit leben Vater und Sohn nicht ohne den sie verbindenden und aus ihrer Beziehung hervorgehenden «Heiligen Geist». Die drei sind nur zusammen Gott. Es ist – vereinfacht gesagt – wie bei einer Münze, die immer drei Seiten hat (die Kante mitgezählt).
Im Bekenntnis der Dreifaltigkeit Gottes steckt also die Botschaft, dass Gott beziehungsfähig ist, dass Gott Leben schafft und Liebe pflegt. Jede der drei göttlichen Personen ist in ihrem Verhältnis zu den anderen zwei zu bedenken. Alle menschlichen Bilder stossen jedoch an Grenzen, weil keines die Wirklichkeit Gottes voll zu erfassen vermag. Jedes Reden über Gott ist ein Nachsprechen bzw. ein Nacherzählen von Erfahrungen, die Menschen mit diesem Gott des Lebens gemacht haben.
So sind auch «Vater», «Sohn» und «Heiliger Geist» Begriffe, die hilfreich, aber auch hinderlich sein können beim Versuch, Gott auf der Spur zu bleiben. Mit «Vater» wird angedeutet, dass Gott Ursprung und Ziel allen Seins ist. Im «Sohn» nimmt Gott das Geschenk des Lebens und der Liebe selbst an – und schenkt es weiter. Gott ist im «Sohn» Begleiter:in im Leben: wegweisend und mitgehend. Der «Heilige Geist» ist das göttliche Geschenk in Person: Wo in zwischenmenschlichen Beziehungen geliebt, ermutigt, getröstet wird, wo Vertrauen, Kreativität, Inspiration wachsen und gedeihen, kann Gottes Geist vermutet werden.
Gott ist die Quelle meines Lebens. Gott wird mir zum lebendigen Gegenüber. Und Gott lebt und wirkt in mir. Dies ist eine Möglichkeit von vielen, die Dreifaltigkeit Gottes in Worte zu fassen. 1
- Titelbild: Oscar Ivan Esquivel Arteaga, unsplash.org / Bild 1: Dreifaltigkeitsikone von Andreei Rubljow, um 1411, Moskau, wikimedia commons / Bild 2: Trifrons (Dreigesicht), Fresko in der Kirch San Nicola (Giornico), Tessin, Mitte 15. Jh., wikimedia commons / Bild 3: Lovelypeace, iStock / Bild 4: Eliza, photocase.de / Bild 5: selimaksan, iStock
Kommentare
1 Kommentare zu “Wer ist Gott? Und wenn ja, wie viele?”
07.05.21
Verding Katharina
Warum brauchen wir Bilder, um uns Gott vorzustellen? die Dreifaltigkeit ist Gott, einverstanden.Aber der alte Mann passt mir nicht.Gott ist in seiner Grösse und Unendlichkeit nicht bildnerisch darzustellen. Einfach anzunehmen, das wir Menschen zu klein sind, um uns Gott überhaupt vorstellen zu können, finde ich wichtig.Man stelle sich vor, wer es vermag die Erde und das Universum zu erschaffen, welche Grösse, das nur vermag.Das sind meine eigenen Gedanken, die mir von keinem Theologen aufdiktiert wurde.