Endlich Pause

Endlich Sommer! Pause! Arbeit und Alltag unterbrechen, die Seele baumeln lassen! Endlich Zeit haben – für die Familie, für Freund:innen, für mich selbst, für Schönes. Was für ein Glück!

Menschen brauchen Pausen. Vom Arbeiten, vom Machen-müssen, vom Funktionieren-müssen. Kein Mensch kann pausenlos arbeiten. Und die Bibel sagt sogar: Kein Tier kann pausenlos arbeiten. Schon früh hat man in Juda festgestellt, dass Arbeit nicht alles sein dürfe, sondern dass es von Zeit zu Zeit Pausen geben müsse, damit Mensch und Vieh sich von der Arbeit ausruhen können.1

Eine Pause von der Arbeit alle sieben Tage

Die früheste Sammlung von Rechtstexten, die im Ersten Testament erhalten ist, ist das «Bundesbuch». Es ist heute im Buch Exodus zu finden (Exodus 20,23–23,19) und regelt grundlegende Dinge des Zusammenlebens. So sollen Sklav:innen nach sieben Jahren freigelassen werden, Gewalt soll geahndet werden, Schwache sollen nicht ausgebeutet werden, und alle sieben Jahre sollen Felder und Weiberge brach liegen gelassen werden, damit Arme und Tiere davon essen können. Zu diesen grundlegenden Regelungen gehört auch die, dass Bauern alle sieben Tage die Arbeit ruhen lassen sollen, damit Tiere und Arbeiter:innen ausruhen können:

«Sechs Tage kannst du deine Arbeit verrichten, am siebten Tag aber sollst du ruhen, damit dein Rind und dein Esel ausruhen und der Sohn deiner Sklavin und der Fremde zu Atem kommen.» (Exodus 23,12)

Wer hier als «du» angesprochen wird, muss eigene Tiere besitzen und Feldern haben, auf denen Sklav:innen und Tagelöhner:innen arbeiten. Es sind also Bauern mit einigem Besitz im Blick. Als Tagelöhner:innen mussten sich oft Fremde verdingen, die kein eigenes Land besassen, sondern darauf angewiesen waren, auf den Feldern der einheimischen Bauern zu arbeiten. Wo es solche Abhängigkeiten gibt, bestand schon damals und besteht bis heute die Gefahr, dass Menschen ausgebeutet werden – weil sie keine andere Wahl haben und jegliche Arbeitsverhältnisse akzeptieren müssen, um überhaupt etwas zu verdienen, und weil sie keine Möglichkeiten haben, sich dagegen zur Wehr zu setzen. Das darf nicht so sein, sagt unser Text! Gerade wer nicht für das eigene Recht einstehen kann, soll das Recht auf Pause und Erholungszeiten haben. Es geht in diesem Text also nicht in erster Linie um die Ruhe der Bauern selbst, sondern um den Schutz von abhängigen Arbeiter:innen und, bemerkenswert, auch um den Schutz der Tiere vor Ausbeutung.

Offenbar war denjenigen, die diese Regelungen aufgestellt haben, zutiefst bewusst, dass kein Mensch und auch kein Tier pausenlos arbeiten kann. Weder Menschen noch Tiere dürfen grenzenlos ausgebeutet werden, sondern müssen Zeit zum Ausruhen haben.

Der Ruhetag hat im Bundesbuch allerdings noch keinen eigenen Namen, und der Text sagt auch nicht, an welchem Tag geruht werden soll. Vermutlich gab es dazu noch keine einheitliche Regelung, sondern der Pausentag konnte nach individuellen Bedürfnissen alle sieben Tage festgelegt werden. Ähnliche Regelungen sind aus altorientalischen Verträgen und Vorschriften bekannt, die jeden zehnten Tag einen Ruhetag für Arbeitskräfte vorschrieben.

Zeit für Feste

Aber es gab nicht nur Regelungen zum Schutz der Arbeitskräfte, sondern auch für gemeinsame Festzeiten, die im ganzen Land begangen wurden. Solche Feste gaben dem Jahr Rhythmus und Struktur, sie boten mit ihrer verlässlichen Wiederkehr Orientierung und Sicherheit und ermöglichten Gemeinschaftserfahrungen. Sie waren Zeiten zum Innehalten, um zu danken und sich zu freuen, aber auch, um zu gedenken oder zu trauern. Auf diese Weise bildeten sie regelmässige Auszeiten im Alltag.

Bei der Festlegung solcher regelmässig wiederkehrender Festzeiten orientierte man sich vornehmlich am Mondzyklus, der für alle gleichermassen erkennbar war. Ersttestamentliche Texte zeigen, dass Neumond und Vollmond den Grundrhythmus vieler Feste bildeten:

«Stimmt an den Gesang, schlagt die Pauke,
die liebliche Leier, dazu die Harfe!
Stoßt am Neumond ins Widderhorn,
am Vollmond, zum Tag unseres Festes!» (Psalm 81,3-4)

Dabei war der Charakter der Festzeiten an Neumond und Vollmond durchaus unterschiedlich. In den dunklen Neumond-Nächten erinnerten sich die Grossfamilien ihrer Toten und versammelten sich an den Gräbern, um zu opfern und gemeinsam zu essen und zu trinken. Das wird beispielsweise in einer kleinen Szene im Ersten Buch Samuel deutlich, wonach David an einem Neumond nicht an der Mahlfeier des Königs Saul teilnehmen will und sich damit entschuldigt, dass seine eigene Familie ihr Totengedenken in Betlehem halte (1 Samuel 20,24-29).

Dagegen luden die hellen Vollmond-Nächte eher zum fröhlichen Feiern ein: So begann das Pesach-Massot-Fest am Abend des 14. Tages des ersten Monats (Leviticus 23,5-8; Numeri 28,16-25) und das Laubhüttenfest am 15. Tag des siebten Monats (Leviticus 23,33-36; Numeri 29,12-38).

In der akkadischen Sprache des Zweistromlandes (Mesopotamien) wurden diese hellen Vollmondnächte mit ihren Feiern «Schabattu» oder «Schapattu» genannt. Daraus wurde später in der hebräischen Sprache «Schabbat», was wir im Deutschen als «Sabbat» wiedergeben. Dass dieser «Sabbat» in der älteren ersttestamentlichen Literatur noch ein monatlicher Festtag ist, zeigt sich daran, dass er in einigen Texten2 parallel zum Neumond genannt wird:

«Ihr sagt: Wann ist der Neumond vorbei? Wir wollen Getreide verkaufen. Und wann ist der Sabbat vorbei? Wir wollen die Kornspeicher öffnen, das Mass kleiner und den Preis grösser machen und die Gewichte fälschen.» (Amos 8,5)

Der Prophet Amos geht hier mit seinen Zeitgenoss:innen kritisch ins Gericht. Er wirft ihnen vor, dass sie es gar nicht erwarten können, bis die Festzeiten an Neumond und Sabbat vorbei sind, damit sie wieder Handel treiben und dabei ihre betrügerischen Machenschaften fortsetzen können. Neumond und Sabbat werden hier in Parallele genannt und bezeichnen monatliche Festtage. Ganz nebenbei erfahren wir, dass an diesen Tagen offenbar der Handel ruhte – was die kritisierten Geschäftsleute wohl als Zwangspause empfanden, die sie am Geschäftemachen hinderte.

Verschiedene Rhythmen der Zeit

Nun gab es also den Sieben-Tage-Rhythmus zum Schutz der Arbeitskräfte auf der einen Seite und die monatlichen Festzeiten von Vollmond und Neumond auf der anderen Seite. Als nun im 6. Jahrhundert v. Chr. die Jerusalemer Oberschicht nach der Eroberung und Zerstörung Jerusalems nach Babylonien deportiert wurde («Babylonisches Exil»), lernte sie dort eine weitere rhythmisierende Zeiteinteilung kennen, nämlich bestimmte «Unglückstage», an denen man die Arbeit ruhen ließ, weil man aufgrund astrologischer Spekulationen überzeugt war, dass sie an diesen Tagen ohnehin nur Unglück bringe. Dabei beruhte der Rhythmus dieser Unglückstage seit einer Kalenderreform im 7. Jahrhundert v. Chr. offenbar auf der Zahl Sieben.

Für die deportierten Judäer:innen war diese babylonische Zeiteinteilung nach «Unglückstagen» bislang unbekannt, und so stellte sich für sie die Frage, wie sie dies mit ihren eigenen judäischen Rhythmisierungen der Zeit zusammenbringen konnten. In dieser Situation entwickelte eine Gruppe von judäischen Autor:innen, deren Werk in der Exegese «Priesterschrift» genannt wird, aus all den verschiedenen Rhythmisierungen der Zeit etwas Neues: Sie gingen vom judäischen Sieben-Tage-Rhythmus zum Schutz der Arbeitskräfte aus, machten ihn zu einem Ruhetag, der gleichzeitig für alle gelten sollte, und nannten ihn – unabhängig vom Mondzyklus – «Sabbat». Dieser Rhythmus der Zeit war für sie so grundlegend, dass sie ihn sogar in ihrer Schöpfungsgeschichte verankerten.

Sogar Gott ruht sich aus

Diese Schöpfungsgeschichte der priesterschriftlichen Autor:innen steht am Anfang des Buches Genesis (Genesis 1,1–2,4a).3 Dieser wunderschöne und gleichzeitig hochreflektierte Text besingt, wie Gott an sechs Tagen die Welt erschuf und am siebten Tag ruhte.

«Am siebten Tag vollendete Gott das Werk, das er gemacht hatte, und er ruhte am siebten Tag, nachdem er sein ganzes Werk gemacht hatte. Und Gott segnete den siebten Tag und heiligte ihn; denn an ihm ruhte Gott, nachdem er das ganze Werk erschaffen hatte.»

Es ist bemerkenswert: Zwar laufen die Schöpfungswerke der ersten sechs Tage auf den Menschen zu, der als Ebenbild Gottes erschaffen wird, was nichts anderes heisst, als dass er als Repräsentant Gottes so in der Schöpfung handeln soll, dass gutes Leben für Mensch und Tier möglich ist. Doch ist damit die Schöpfung noch nicht fertig. Vielmehr kommt sie erst mit dem siebten Tag zur Vollendung, dem Tag der Ruhe, den Gott eigens segnet und heiligt.

Damit ist eine Zeitstruktur geschaffen, die im siebten Tag, dem Tag der Ruhe, ihren Höhepunkt und ihre Vollendung findet. Was dies genau bedeutet und für die Menschen bedeuten kann, wird an dieser Stelle allerdings noch nicht gesagt. Erst viel später im Verlauf der Priesterschrift, als Israel nach seinem Auszug aus Ägypten in der Wüste weilt, «entdeckt» es den Rhythmus der Tage und seine Bedeutung. Denn Gott schenkt den Israelit:innen in der Wüste jeden Tag genau so viel Manna, wie sie zum Leben brauchen. Nur am sechsten Tag gibt es doppelt so viel – damit es auch für den siebten Tag reicht; denn am siebten Tag ist kein Manna in der Wüste zu finden. Und in dieser Situation erhält dieser Tag erstmals auch seinen künftigen Namen: «Sabbat» (Exodus 16,23–30).

So wird deutlich: Dieser siebte Tag ist ein Geschenk. Menschen dürfen am Privileg von Gottes Ruhetag teilhaben, sie dürfen die Geschäfte und Mühen des Alltags unterbrechen lassen, denn alles, was sie zum Leben brauchen, wird ihnen geschenkt. Der Sabbat ist ein «Palast in der Zeit», wie es der jüdische Gelehrte Abraham Josua Heschel (1907–1972) sagt4, von Gott selbst geheiligt und gesegnet und zunächst noch ganz frei von jeglichen Verpflichtungen. Erst als es darum ging, den kollektiven Pausentag auch wirklich durchzusetzen, wurde er als ein Gebot formuliert, sogar als göttliches Gebot:

«Gedenke des Sabbats: Halte ihn heilig! Sechs Tage darfst du schaffen und all deine Arbeit tun. Der siebte Tag ist ein Ruhetag, dem Ewigen, denem Gott, geweiht. An ihm darfst du keine Arbeit tun: du und dein Sohn und deine Tochter, dein Sklave und deine Sklavin und dein Vieh und dein Fremder in deinen Toren. Denn in sechs Tagen hat der Ewige Himmel, Erde und Meer gemacht und alles, was dazugehört.; am siebten Tag ruhte er. Darum hat der Ewige den Sabbat gesegnet und ihn geheiligt.» (Exodus 20,8-11)

Dass so ein Ruhetag nicht bei allen auf Zustimmung stösst, liegt auf der Hand. Einen Konflikt um die Sabbatruhe überliefert schon das Buch Nehemia. Demnach geriet Nehemia mit Händler:innen in Streit, weil diese am Sabbat ihre Geschäfte fortsetzten, so dass Nehemia mit drastischen Massnahmen dagegen vorgeht und die Stadt Jerusalem am Sabbat für Händler:innen sperren lässt (Nehemia 13,15-21).

Trotz alledem: Der Sabbat war als Wohltat für die Menschen gedacht, und in der Folge der Priesterschrift dürfen Menschen bis heute von der Sieben-Tage-Woche mit ihrem Ruhetag profitieren.

Das göttliche Geschenk der Ruhe

Von den biblischen Texten bis zu heutigen Urlaubsregelungen war es allerdings ein weiter Weg. Und viele Menschen müssen auch heute noch unter Bedingungen leben und arbeiten, die kaum Ruhepausen zulassen. Das ist ein Skandal, der nicht hinzunehmen ist! Die biblischen Texte lehren dagegen: Der Mensch ist nicht nur zum Arbeiten da, und Leben ist mehr als Arbeit – so wichtig die Arbeit auch ist. Die Sommermonate laden dazu ein, sie als Pausenzeit zu entdecken, sie als Anders-Zeiten zu gestalten und das ins Zentrum zu stellen, was uns persönlich oder als Familie oder als Freundeskreis wirklich wichtig ist. Und uns mit jedem Atemzug bewusster zu werden, dass uns eine Zeit der Ruhe von Gott selbst geschenkt ist. Was für ein Glück!

  1. Dieser Beitrag verdankt sich in vielen Aspekten den Artikeln von Klaus Bieberstein: Sabbat. Das göttliche Recht auf Pausen. Bibelarbeit zu Ex 20,8–11, Dtn 5,12–15 und Neh 13,15–21, in: Sabine Bieberstein (Hg.): Auszeit (FrauenBibelArbeit 35), Stuttgart 2015, 21–29; sowie Klaus Bieberstein: Vom Sabbat und Siebten Tag zum Sabbat am Siebten Tag, in: Ursula Roth / Heinz-Günther Schöttler / Gerhard Ulrich (Hg.): Sonntäglich. Zugänge zum verständnis von Sonntag, Sonntagskultur und Sonntagspredigt (Ökumenische Studien zur Predigt 4), München 2003, 15–29.
  2. Z. B. Amos 8,5; Hosea 2,13; Jesaja 1,13.
  3. Vgl. dazu Klaus Bieberstein / Sabine Bieberstein: Gutes Leben für alle! Die Schöpfungsgeschichte Gen 1,1–2,4a, Stuttgart 2017.
  4. Abraham Josua Heschel, Sabbat. Seine Bedeutung für den heutigen Menschen, Neukirchen-Vluyn 1990 (engl. 1951).

     

    Bildnachweise: Titelbild: Entspannung im Wasser. Unsplash@shazmynphotographer / Bild 1: Van in der Nacht mit Aussicht auf die Sterne. Unsplash@tlisbin / Bild 2: Fest. Unsplash@alelmes / Bild 3: Nachthimmel mit Mond. Unsplash@jordansteranka / Bild 4: Garten. Schöpfung. Unsplash@tbasset / Bild 5: Ruhe finden. Unsplash@melissaaskew.

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