Gesalbt mit duftendem Öl

Christ:innen sind «Gesalbte». Nach der Taufe und bei der Firmung wurden sie mit Chrisam-Öl bezeichnet. Mit diesem symbolischen Akt sind eine Erwählung und ein Auftrag verbunden.

In der Karwoche weiht der Bischof die Heiligen Öle, die während dem Jahr für die Sakramente und Weihen in seinem Bistum Verwendung finden.1 Beim Chrisam-Öl (von griech. chrisma = Salbe) wird dem Olivenöl Saft der Balsamstaude oder ein anderer Duftstoff beigemischt. Der Bischof haucht über dem Öl und bittet Gott im Weihegebet: «Erhebe sie [die Getauften] zur Ehre von Königen, Priestern und Propheten»; sie sollen zu einem Tempel werden, «der erfüllt ist vom Duft eines gottgefälligen Lebens». Verschiedene biblische Motive klingen hier an.

Gesalbt mit dem Öl der Freude

Eine Salbung mit Öl ist eine Wohltat, sie reinigt, pflegt, stärkt, heilt und schützt den Körper, das wissen die Menschen des Mittelmeerraums seit der Antike. In der Bibel begegnet das Salben häufig und in vielfältiger Weise. Als Dienst an anderen ist es Ausdruck der Ehrerbietung, der Wertschätzung und Gastfreundschaft. Im Alten Ägypten war es Brauch, den Gästen einen Salbkegel auf den Kopf zu setzen; das herabfliessende Öl kühlte das Haupt und verbreitete einen angenehmen Duft.2 Eine solche Geste liess der Pharisäer Simon offensichtlich gegenüber Jesus als seinem Gast vermissen (Lukasevangelium 7,46), wohingegen die anwesende Frau Jesus die Füsse salbte. Sie erwies ihm einen Liebesdienst und scheute dabei nicht, kostbares Öl zu verwenden.3 Das Salböl trug so zur Festlichkeit des Mahles bei und wurde als «Öl der Freude» (Psalm 45,8) erfahren, als Zeichen von Gemeinschaft und Lebensfülle. In Psalm 23,5 wird von Gott gesagt: «Du hast mein Haupt mit Öl gesalbt, übervoll ist mein Becher».

Die Salbung Davids, Paolo Veronese, ca. 1555 n. Chr.

Gesalbt zum König, Priester und Propheten

Der Dienst der Salbung drückt also Zuwendung zu einer Person aus, Ehrung und Würdigung. In der Antike wurde eine Person durch rituelle Salbung in ein Amt gehoben. Das Alte Testament erwähnt die Salbung von Königen in Israel, von Priestern und Propheten. Sie verleiht göttliche Legitimation, Würde und Macht, ist ein Zeichen dafür, unter Gottes besonderen Schutz und Beistand zu stehen. Die Könige Saul, David und ihre Nachkommen tragen den Titel «Messias» – hebräisch: Gesalbter.4

Zurzeit Jesu wird im Judentum der neue David, der erwartete, endzeitliche Retter als der Gesalbte bezeichnet. Für die neutestamentlichen Schriften ist klar, dass Jesus dieser Gesalbte ist – der Christus (von griech. christos = Gesalbter). «Als Mittler zwischen Gott und Mensch ist er der eigentliche Priester – in ihm schenkt Gott Versöhnung und Heil. Als der Gute Hirte ist er der König im angebrochenen Reich Gottes – seine Königsherrschaft ist geprägt von Fürsorge und Liebe, die dem Leben Raum gibt. In seiner Offenheit für Gottes Wort ist er Prophet – er verkündet Gottes Heilsbotschaft in Wort und Tat.»5

In der Nachfolge Jesu sind auch die Getauften gesalbt. So schreibt Paulus an die Gemeinde in Korinth: «Gott aber ist es, der uns mit euch auf Christus hin stärkt und der uns gesalbt hat. Er hat uns auch sein Siegel aufgedrückt und als ersten Anteil den Geist in unsere Herzen gegeben» (2. Korintherbrief 1, 21f). Von Christus her erhalten die Getauften Anteil an seiner königlichen, priesterlichen und prophetischen Würde und Aufgabe.

König:innen für Gott

Wer getauft und gefirmt ist, wird hineingestellt in die lange Geschichte Gottes mit seinem Volk. Das wird beispielsweise in der Vesper vom Dienstag der 1. Woche6 deutlich: Die Psalmen 20 und 21 gehören zu den Königspsalmen; sie sprechen vom König des Volkes Israel als dem Gesalbten. Die christlichen Beter:innen identifizieren den Gesalbten mit Christus, wenn sie die Antiphonen (Kehrverse) zu den Psalmen singen: «Der Herr hat seinem Gesalbten den Sieg verliehen» und «Herr, deiner siegreichen Kraft wollen wir singen und spielen». Im Anschluss an die Psalmen wird ein Canticum aus dem Buch der Offenbarung gesungen (Offenbarung 4 und 5). Es ist ein Danklied an Christus als dem Lamm Gottes. Von ihm heisst es, dass er aus allen Nationen und Völkern Menschen für Gott erworben und sie zu Königen und Priestern für Gott gemacht hat. Die Antiphon zum Canticum aktualisiert diesen Vers: «Du hast uns [Hervorhebung J.W.], Herr, zu Königen gemacht und zu Priestern für unseren Gott».

Erwählt aus Liebe

Gesalbt sein heisst: auserwählt sein. Die Erwählung durch Gott geht der Salbung voraus und wird durch diese bestätigt und sichtbar gemacht. «Erwählung» bzw. «Auserwähltsein» ist heute ein schwieriges, missverständliches Wort. In einer leistungsorientierten Gesellschaft sind wir es gewohnt, dass jemand aufgrund besonderer Verdienste erwählt, ausgezeichnet und geehrt wird. Der Theologe und Psychologe Henri Nouwen schreibt: «Der Umstand, auserwählt zu werden, bedeutet nicht, dass andere verworfen werden. In einer Welt wie der unsrigen, die völlig von Wettbewerb geprägt ist, kann man sich das nur sehr schwer vorstellen.»7

Gott erwählt sich ein Volk als sein besonderes Eigentum8, er salbt Könige, Priester und Propheten für sein Volk, Christus beruft Frauen und Männer in seine Kirche. Die Erwählung Gottes ist frei und voraussetzungslos, sie ist Erwählung aus Liebe. Auserwähltsein beschreibt eine personale Beziehung: Israel ist das Volk, das Gott persönlich gehört9. Die Stimme vom Himmel sagt zu Jesus: «Du bist mein geliebter Sohn» (Markusevangelium 1,11). Die Erwählung aus Liebe schliesst andere nicht aus. «Statt andere als weniger wertvoll hintanzustellen, lässt das die anderen mit der ihnen eigenen Einmaligkeit gelten. Diese Wahl findet nicht im Kontext eines Konkurrenzkampfes statt, sondern im Klima der Einfühlung und der Zuneigung.»10 Die Salbung macht liebende Aufmerksamkeit und Hinwendung ausdrücklich.

Handsalbung

Gesalbt und gesandt

Die Erwählung durch Gott ist keine Auszeichnung, keine Prämie, kein Gütesiegel für sich selbst, sie ist stets mit einer bestimmten Aufgabe verbunden. So ist auch die Kirche als Volk Gottes nicht für sich selbst da, sie ist nicht eine Gemeinschaft von besonders tugendhaften, sich selbst genügenden Menschen, sondern sie ist als «auserwähltes Geschlecht» (1. Petrusbrief 2,9) damit betraut, den Auftrag Jesu Christi weiterzuführen. Worin dieser Auftrag besteht, wird im Jesaja-Wort (Jesaja 61,1) gesagt, das Jesus auf sich bezieht und das die Verbindung von «gesalbt» und «gesandt» deutlich macht: «Der Geist des Herrn ruht auf mir; denn er hat mich gesalbt. Er hat mich gesandt, damit ich den Armen eine frohe Botschaft bringe; damit ich den Gefangenen die Entlassung verkünde und den Blinden das Augenlicht; damit ich die Zerschlagenen in Freiheit setze und ein Gnadenjahr des Herrn ausrufe» (Lukasevangelium 4,18-20).

Die Kraft für den christlichen Auftrag erwächst nicht aus eigenen Leistung, sondern aus der Kraft des göttlichen Geistes. Bei der Firmung lautet das Begleitwort zur Salbung: «Sei besiegelt durch die Gabe Gottes, den Heiligen Geist». Die Salbung mit Chrisam nimmt Bezug auf die biblische Dreizahl: Die Kirche verkündet Gottes Wort in der Zeit (prophetisch), macht Gottes Namen präsent (priesterlich) und verhilft dem Reich Gottes zum Durchbruch (königlich). Die Salbung versinnbildlicht die Aufgabe, «Christi Wohlgeruch für Gott» zu sein (2. Korintherbrief 2,15).

  1. Vgl. Pontifikale für die katholischen Bistümer des deutschen Sprachgebietes. Band 4: Die Weihe der Kirche und des Altares. Die Weihe der Öle. Handausgabe mit liturgischen Hinweisen. Hg. von den Liturgischen Instituten, Freiburg i.Br. 1994.
  2. Vgl. Peter Riede: Salbung (AT), auf: https://www.die-bibel.de/ressourcen/wibilex/altes-testament/salbung-at (10.02.2025)
  3. Vgl. auch die Salbung der Füsse Jesu durch Maria im Haus ihres Bruders Lazarus (Johannesevangelium 12,3) oder das Übergiessen von kostbarem Salböl auf das Haupt Jesu durch die Frau in Bethanien (Matthäusevangelium 26,7).
  4. Vgl. Ernst-Joachim Waschke: Messias (AT), auf: https://www.die-bibel.de/ressourcen/wibilex/altes-testament/messias-at (10.02.2025).
  5. Christoph Freilinger: Salböl des Heiles, auf: https://www.kirchenzeitung.at/site/kirche/glaube/salboel-des-heiles (10.02.2025).
  6. Vgl. Stundenbuch Die Feier des Stundengebetes für die katholischen Bistümer des deutschen Sprachgebietes. Band 3, Einsiedeln 1978, S. 244-248.
  7. Henri J.M. Nouwen: Du bist der geliebte Mensch. Religiös leben in der säkularen Welt, Freiburg i.Br. 12. Aufl. 2002, S. 45.
  8. Vgl. Exodus 19,5; Maleachi 3,17; 1. Petrusbrief 2,9.
  9. Vgl. Deuteronomium 7,6; 14,2; 26,18.
  10. Henri J.M. Nouwen: Du bist der geliebte Mensch, S. 46.

     

    Bildnachweise: Titelbild: Lavendelöl wird in eine Dampfmaschine gegeben. Unsplash@tronle_sg / Bild 1: Die Salbung Davids, Paolo Veronese, ca. 1555 n. Chr., heute im Kunsthistorischen Museum Wien. Wikimedia Commons ( Yelkrokoyade) / Bild 2: Brief mit Siegelabdruck mit dem Schriftzug „With love“. Unsplash@sippakorn / Bild 3: Einer Frau werden die Hände gesalbt. Unsplash@mrgregg225

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