Frauen in Amt und Würden!

Jedes Jahr am 8. März wird der Internationale Frauentag gefeiert. Das ist kein christliches Fest. Aber der Tag inspiriert dazu, wieder einmal auf die starken Frauentraditionen der Bibel zu blicken. Frauen gestalteten die ersten Gemeinden in einer Weise mit, von der wir heute kaum mehr zu träumen wagen. Schon in der Bibel werden aber auch Gegenkräfte sichtbar, die Frauen aus ihren Funktionen wieder verdrängen wollen. Die Frage ist, welchen Stimmen wir welches Gewicht geben.

Schon lange ist bekannt: Die Evangelien zeigen Frauen als Jüngerinnen Jesu. Nach der Darstellung des Lukasevangeliums sind Frauen mit Jesus unterwegs und teilen das, was sie haben, mit der Gemeinschaft der Jünger:innen (Lukasevangelium 8,2-3), nach dem Markusevangelium sind «viele Frauen» mit Jesus von Galiläa mit nach Jerusalem gekommen (Markusevangelium 15,40f.). Alle Evangelien erzählen von diesen Jüngerinnen gerade in der brüchigen Zeit nach dem Karfreitag: Wie sie nicht weglaufen vor den fürchterlichen Ereignissen, sondern dableiben, hinsehen und aushalten, wie sie das leere Grab entdecken und die Osterbotschaft erhalten. Nach dem Matthäus- und dem Johannesevangelium sind sie die ersten, denen der Auferstandene erscheint. Diese Frauen tragen Namen. Die Bekannteste unter ihnen ist Maria aus Magdala, die im Mittelalter den Titel «Apostola Apostolorum» (die Apostelin der Apostel) erhielt, weil sie den übrigen Mitgliedern der Jesusgemeinschaft die Osterbotschaft brachte (Johannesevangelium 20,18).

Jesus, Petrus und diverse Frauen, St. Elisabeth Kirche in Budapest, 1900 n. Chr.

Dieses aus heutiger Sicht erstaunliche Bild ist kein Zufall. Es hat seinen Grund darin, dass sich die Jesusbewegung als «Nachfolgegemeinschaft von Gleichgestellten» (Elisabeth Schüssler Fiorenza) verstand, bevollmächtigt von Jesus, der sein Charisma mit denen teilte, die ihm nachfolgten, und sie befähigte, wie er selbst die neue Welt Gottes zu verkünden und zu feiern, zu heilen und Dämonen auszutreiben. Das blieb nicht ohne Wirkung: Ohne diese Frauen und Männer, die im Geiste Jesu Verantwortung übernahmen, hätte das, was wir heute Kirche nennen, niemals entstehen können.

Apostelinnen, Diakoninnen, Gemeindeleiterinnen

Diesen Geist eines gleich-wertigen und gleich-würdigen Miteinanders verschiedenster Menschen finden wir auch in den Gemeinden des Paulus. Besonders eindrücklich ist dafür die Grussliste am Ende des Römerbriefs. Gleich zu Beginn ist hier von Phöbe die Rede, die den Römerbrief von Korinth nach Rom brachte und zu Hause in Kenchreä den Titel diakonos trug: Diakonin. Paulus bezeichnet sie als eine patrona für die Gemeinde und für ihn selbst, was wohl bedeutet, dass sie in ihrem Haus eine Hausgemeinde beherbergte, für die Mitglieder der Gemeinde Verantwortung übernahm und sich für sie einsetzte, und dass sie diese Gemeinde auch koordinierte (Römerbrief 16,1f.).

Die erste Adresse für Paulus in Rom ist das Ehepaar Priska und Aquila, die an ihren verschiedenen Lebensstationen in Rom, Korinth und Ephesus ihr Haus für Hausgemeinden öffneten, das Evangelium verkündeten und nach der Darstellung der Apostelgeschichte den feurigen Prediger Apollos in der richtigen Lehre unterwiesen (Apostelgeschichte 18,24–28; Römerbrief 16,3f.).

Eine Verkünderin des Evangeliums war auch Junia, die von Paulus als «herausragend unter den Apostel:innen» gerühmt wird (Römerbrief 16,7). Weil man sich offenbar nicht vorstellen konnte, dass eine Frau den Aposteltitel tragen konnte, wurde sie kurzerhand in einen Mann namens Junias umbenannt und überdauerte auf diese Weise über viele Jahrhunderte in den biblischen Handschriften. Ein ähnliches Schicksal traf auch Nympha, die in Laodizäa in Kleinasien eine Hausgemeinde beherbergte und in vielen Handschriften als «Nymphas» firmiert (Kolosserbrief 4,15).

Paulus grüsst in seinem Brief nach Rom auch Maria, Tryphäna, Tryphosa und Persis, die sich für die Gemeinden «abmühten», was nicht nur die mühselige tägliche Aufbauarbeit in den Gemeinden meint, sondern ein charismatisches Leitungsamt – wohlgemerkt in römischen Hausgemeinden (Römerbrief 16,6.12)!1

Papyrus 118 mit den Versen 1,4–7, 11–12 aus Kapitel 16 des Römerbriefes, ca. 250 n. Chr.

Aus heutiger Sicht erstaunlich ist auch das Beispiel von Evodia und Syntyche, die im Brief des Paulus nach Philippi zur Einmütigkeit aufgerufen werden, weil an ihrer Einmütigkeit offenbar die Einheit der gesamten Gemeinde hängt (Philipperbrief 4,2). Weil die beiden Frauen derart wichtig sind, kann man sie mit guten Gründen zur Gruppe der Episkopen und Diakone rechnen, die zu Beginn des Philipperbriefs – ganz ungewöhnlich für Paulusbriefe – neben der Gemeinde eigens angesprochen werden, vermutlich, um sie von Anfang an für das Anliegen des Paulus zu gewinnen und zu motivieren, sich für seine Anliegen einzusetzen.

Eine Verbündete für sein Anliegen sieht Paulus auch in Aphia, die er zu Beginn seines Briefes an Philemon und die Gemeinde in seinem Haus anspricht (Philemonbrief 2).

Dass all dies in den frühen christusgläubigen Gemeinden möglich war, hat wiederum theologische Gründe. Denn Paulus und die ersten Gemeinden waren überzeugt, dass jeder und jede Glaubende in der Taufe die Geistkraft empfängt, und dass sich dies darin konkretisiert, dass jeder und jede von dieser Geistkraft Begabungen und Fähigkeiten erhält – die Charismen –, die in die Gemeinde eingebracht werden können und sollen. Dabei geht es nicht um Befugniszuteilung, dass also nur bestimmte Menschen bestimmte Dinge tun dürfen, sondern um Ermöglichung. Gemeinde lebt davon, dass alle, die dazugehören, ihre Fähigkeiten einbringen können, unabhängig von Herkunft, sozialem Status, Geschlecht oder sexueller Orientierung. Alle Getauften zusammen bilden nichts weniger als den «Leib des Christus» (1. Korintherbrief 12).

Bemerkenswerte Rollenmodelle für Frauen

Auch die Apostelgeschichte kennt bemerkenswerte Rollenmodelle für Frauen. So werden auch in dieser Schrift Frauen sichtbar, die ihr Haus einer christusgläubigen Gemeinschaft zur Verfügung stellen, wie Maria in Jerusalem oder Lydia in Philippi (Apostelgeschichte 12,12-17; 16,13–15.40). Tabita in Joppe, die von Petrus vom Tod erweckt wird, wird als einzige Frau im Neuen Testament mit der weiblichen Bezeichnung «Jüngerin» bedacht. Mit grosser Wertschätzung spricht die Apostelgeschichte von ihrem Einsatz für die Witwen der Stadt, und vielleicht ist dabei sogar an eine Lebens- und Arbeitsgemeinschaft von Frauen in Joppe gedacht (Apostelgeschichte 9,36-43). Vier Prophetinnen, allesamt Töchter des Evangelisten Philippus, werden in Caesarea erwähnt (Apostelgeschichte 21,8-9). Die Reihe liesse sich fortsetzen.

Auch das Johannesevangelium zeigt Frauen in interessanten Rollen. So wird die samaritanische Frau, die Jesus am Brunnen in Sychar in ein theologisches Gespräch verwickelt, zur Glaubensbotin für ihr Dorf (Johannesevangelium 4). Marta spricht ein Bekenntnis zu Jesus als «Messias und Sohn Gottes, der in die Welt kommen soll», das in den anderen Evangelien von Petrus gesagt wird (Johannesevangelium 11,27). Maria aus Magdala wird am Ostermorgen die erste Erscheinung des Auferstandenen zuteil, und sie wird vom Auferstandenen gesandt, den übrigen Mitgliedern der Nachfolgegemeinschaft die Osterbotschaft zu verkünden (s. o.).

Jesus und die Samaritanische Frau, Duccio di Buoninsegna, 1310 bis 1311 n. Chr.

Gegenkräfte

Das Neue Testament zeigt aber auch: Schon bald werden Stimmen laut, die Mühe hatten mit solchen Rollen von Frauen. So verbietet ein späterer Abschreiber in einem Zusatz zum ersten Brief des Paulus nach Korinth Frauen das öffentliche Reden und fordert sie stattdessen zum Schweigen und zur Unterordnung auf (1. Korintherbrief 14,33b-35). Ein ähnlicher Ton ist im ersten Timotheusbrief zu vernehmen (1 Timotheusbrief 2,9-15). Dieser Brief stammt ebenfalls nicht von Paulus selbst, sondern wurde erst etwa 50 Jahre nach Paulus unter seinem Namen verfasst. Hier werden Frauen dazu angehalten, sich nicht mit kostbarer Kleidung, aufwändigen Frisuren und Gold oder Perlen zu schmücken, sondern mit guten Werken. Frauen sollen nicht lehren, sondern sich belehren lassen, sich unterordnen und im Übrigen Kinder zur Welt bringen. All dies wird mit einer Frauen abwertenden Lektüre der zweiten Schöpfungserzählung (Genesis 2,4b–3,24) begründet. Auch im zweiten Timotheusbrief werden gelehrte Frauen diffamiert als «Frauen, die immer lernen und die doch nie zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen können» (2 Timotheusbrief 3,6).

Solche Texte zeigen einerseits, zu welch heftigen Konflikten schon im beginnenden zweiten Jahrhundert die Arbeit von Frauen in den Gemeinden geführt hat. Andererseits machen diese Texte – «gegen den Strich gelesen» – gerade solche Frauen sichtbar, gegen die in den Texten polemisiert wird. Es waren offenbar Frauen, die nicht geschwiegen haben, sondern öffentlich lehrten und in den Gemeinden Führungsrollen beanspruchten. Damit passten sie nicht mehr in die Vorstellungswelt des Verfassers dieser Briefe, so dass er sie mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln wieder in traditionelle Rollen zurückzudrängen versuchte.

Wie es zu diesen Veränderungen kam, darüber lässt sich nur spekulieren. Sicher ist, dass die christusgläubigen Gemeinden keine kleinen Hausgemeinden mehr waren, die stadtöffentlich kaum in Erscheinung traten, sondern grössere Gemeinschaften, die in den Städten sichtbar wurden und sich im städtischen Gefüge ihren Platz erobern mussten. Da lag es für manche offenbar nahe, sich wieder an traditionellen Rollenmustern zu orientieren, um in der Gesellschaft Anerkennung zu finden. Ein Schritt in diese Richtung war, die Gemeindeleitung nach dem Vorbild des pater familias zu modellieren, so dass für die Leitungsfunktion nur noch Männer in Frage kamen, die erfolgreich ihrem eigenen Hauswesen vorstehen, Kinder anständig erziehen, ein untadeliges Leben führen und auf diese Weise in der Stadtöffentlichkeit zu Ansehen gelangen konnten (1 Timotheusbrief 3,1–7). Für Frauen bedeutete dies – ebenso wie für unfreie oder nicht-einheimische Männer! –, dass sie von Leitungsfunktionen ebenso wie von öffentlicher Rede in der Gemeinde ausgeschlossen wurden.

Die weitere Geschichte der Kirche zeigt zwar, dass es immer wieder Aufbrüche und Bewegungen gab, in denen Frauen andere Rollen einnahmen. Das wäre ein eigener spannender Beitrag. Doch auf die Dauer hat sich in der Kirche das Modell durchgesetzt, dessen Anfänge wir in den nachpaulinischen Pastoralbriefen greifen können und das die Möglichkeiten für Frauen gegenüber den Anfängen erheblich einschränkte.

Plakat der Frauenbewegung zum Frauentag 8. März 1914

Die Zeit ist überreif!

Der Internationale Frauentag entstand zu Beginn des 20. Jahrhunderts auf Initiative sozialistischer Organisationen im Kampf um die Gleichberechtigung und das Wahlrecht für Frauen. Es war ein langer Weg, bis Frauen gleiche Rechte wie Männer, Zugang zu Bildung, eigene Rechtsfähigkeit oder das Wahlrecht erlangten. Noch heute liegt, was die Chancengleichheit angeht, noch manches im Argen. Und wie die Entwicklungen in vielen Ländern zeigen, können Frauen vor politischen oder gesellschaftlichen Rückschritten mit verheerenden Folgen für ihr Leben niemals sicher sein.

Es gilt also, aufmerksam zu bleiben und in den Bemühungen für gleiche Rechte von Frauen niemals nachzulassen. Das kann auch bedeuten, immer und immer wieder die gleichen Argumente zu wiederholen und damit vermutlich auch so manche Zeitgenoss:innen zu nerven. Das hat offenbar schon die Frauenrechtlerin Hedwig Dohm erfahren müssen, die bereits 1909 feststellte:

«Man kommt sich auf dem Gebiete der Frauenfrage immer wie ein Wiederkäuer vor.»2

Ähnlich scheint es auch mit den Argumenten für einen gleichberechtigten Zugang für Frauen zu allen Ämtern der römischen Kirche zu sein. Was in diesem Artikel aufgezeigt wurde, ist längst bekannt. Zu grundlegenden Veränderungen hat es bislang nicht geführt. Immerhin scheint ein Trend erkennbar, immer mehr Führungspositionen – bis hin zur Kurie – mit Frauen zu besetzen. So gilt es also, beharrlich immer wieder die gleichen Argumente zu wiederholen und gegen den Traditionsverlust auf die vielfältig-lebendigen Anfänge zu verweisen, die deutlich machen: Nicht die Beteiligung von Frauen an allen Ämtern ist begründungspflichtig, sondern ihr Ausschluss.

  1. So Stefan Schreiber: Arbeit mit der Gemeinde (Röm 16,6.12). Zur versunkenen Möglichkeit der Gemeindeleitung durch Frauen, in: NTS 46 (2000), S. 204–226.
  2. Hedwig Dohm: Gesichtspunkte für die Erziehung zur Ehe, in: Sozialistische Monatshefte, 1909.

     

    Bildnachweise: Jesus, Petrus und verschiedene Frauen. St. Elisabeth Kirche in Budapest. 1900 n. Chr. / Bild 1: Jesus, Petrus und diverse Frauen, St. Elisabeth Kirche in Budapest, 1900 n. Chr. Wikimedia Commons / Bild 2: Papyrus 118 mit den Versen 1,4-7, 11-12 aus Kapitel 16 des Römerbriefes, ca. 250 n. Chr. Wikimedia Commons / Bild 3: Jesus und die Samaritanische Frau, Duccio di Buoninsegna, 1310 bis 1311 n. Chr. Tempera und Gold auf Holztafel. Heute im Museo Thyssen-Bornemiszain in Madrid. Wikimedia Commons / Bild 4: Plakat der Frauenbewegung zum Frauentag 8. März 1914. Es wird das Frauenwahlrecht gefordert. Wikimedia Commons

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