Wenn eine Firma kommunizieren will, was sie auszeichnet, was ihre Grundlagen, Werte und Ziele sind, dann formuliert sie ein «Credo». Die christlichen Kirchen haben ein gemeinsames «Credo». Es entstand vor 1700 Jahren und formuliert den Kern dessen, was Christ:innen glauben.
Das christliche «Credo» ist allerdings mehr als ein schriftliches Dokument mit einer Reihe von Glaubenssätzen. Seit Jahrhunderten rezitieren oder singen viele Gemeinden das Glaubensbekenntnis gemeinsam im Gottesdienst.
Am Anfang: eine dreifache Taufformel
Schon die ersten Anhänger:innen von Jesus verwendeten Formeln, um sich ihrer Zugehörigkeit und ihres Bekenntnisses zu Jesus Christus zu vergewissern. Im Neuen Testament finden wir Spuren davon (vgl. etwa Matthäusevangelium 16,16; 1. Korintherbrief 15,3-5).
Bei der Taufe wurden die Taufbewerber:innen beim dreimaligen Eintauchen ins Wasser dreimal nach ihrem Glauben befragt: Glaubst du an den Vater, den Sohn und den Heiligen Geist? Daraus entstand eine dreigliedrige Glaubenserklärung, die im Laufe der Zeit erweitert wurde. Von der Taufpraxis der ersten Gemeinden zeugt Vers 28,19 des Matthäusevangeliums: «Geht und macht alle Völker zu meinen Jüngern; tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.»
Auseinandersetzungen um den rechten Glauben
Die Frage, in welchem Verhältnis der Vater, der Sohn und der Heilige Geist zueinanderstehen, führte zu heftigen Debatten in den christlichen Gemeinden und verlangte nach einer Klärung. Die Bischöfe, die sich im Jahr 325 zum Konzil von Nizäa und im Jahr 381 in Konstantinopel trafen, rangen um jede einzelne Formulierung. Dabei bildete eine bereits bestehende erweiterte Taufformel die Grundlage. Der endgültige Text wurde schliesslich auf dem Konzil von Chalkedon 451 öffentlich als christliche Lehre verkündet.
Die Entstehung des Glaubensbekenntnisses im 4. und 5. Jahrhundert zeigt beispielhaft, wie erst in der intensiven Auseinandersetzung mit Andersdenkenden die eigene Überzeugung reift und die Identität gestärkt wird.1
Das «Credo» in der Liturgie
Die Endfassung des Textes fand ihren Weg zurück in die Liturgie. Neben dem Nizäno-Konstantinopolitanischen Glaubensbekenntnis, auch Grosses Glaubensbekenntnis genannt, wird in der katholischen Liturgie das sogenannte Apostolische Glaubensbekenntnis verwendet. Dieses geht ebenfalls auf ein altes Taufbekenntnis zurück und wird auch «Symbolum» genannt: Als Symbol wurde in der Antike ein Erkennungszeichen verstanden, das die Identität einer Person ausweisen konnte. Wer das «Symbolum» spricht, gibt seine Zugehörigkeit zur christlichen Gemeinschaft zu erkennen.
Beide Formen des Glaubensbekenntnisses werden als «Credo» (lateinisch: ich glaube) bezeichnet, nach dem ersten Wort des Textes. Das «Credo» hat in der katholischen Liturgie seinen Platz vorrangig in der Eucharistiefeier an Sonn- und Festtagen.
Das «Credo» empfangen und zurückgeben
Eine bemerkenswerte Rolle spielt das Glaubensbekenntnis bei der Erwachsenentaufe. Zu Beginn der Vorbereitungszeit spricht die zum Gottesdienst versammelte Gemeinde den Taufbewerber:innen das Glaubensbekenntnis feierlich vor und vertraut es ihnen an: «Nehmen Sie diese Worte in sich auf, damit sie eine Quelle der Freude und ein fester Halt in Ihrem Leben sind.»2 Die Taufbewerber:innen sollen das «Credo» meditieren und es (auswendig) lernen, um es schliesslich unmittelbar vor der Tauffeier der Gemeinde vorzutragen. Sie nehmen also das Bekenntnis der Getauften entgegen, verinnerlichen es und übergeben es ihnen gewissermassen wieder.3
Dieser Ritus hat einen hohen symbolischen Charakter für das kirchliche Leben: Den christlichen Glauben kann man sich nicht erarbeiten oder sich ein für alle Mal erwerben, man kann ihn nur immer wieder empfangen und weitergeben. Glaube entsteht und wächst in Gemeinschaft, im fortwährenden Hören aufeinander, im gegenseitigen Dialog.
Generationenübergreifendes Bekenntnis
Das «Credo» ist sowohl ein persönliches als auch ein gemeinsames Zeugnis, was sich nicht zuletzt darin zeigt, dass die deutschsprachige Fassung des Grossen Glaubensbekenntnisses mit den Worten «Wir glauben» beginnt.
Die eigenen Glaubenserfahrungen und -überzeugungen, Zweifel und Bedenken in einen weiten Horizont zu stellen, kann entlastend sein. Mögen die einzelnen Christ:innen auch nicht jede Glaubensaussage voll und ganz verstehen, mag ihnen manches vor dem Hintergrund ihrer Glaubensbiografie nicht wichtig erscheinen, so wissen sie sich doch eingebunden in eine grössere Gemeinschaft von Glaubenden, die heute und schon lange vor ihnen dieses Bekenntnis zur Richtschnur ihres Lebens gemacht haben.
Das «Credo» je neu interpretieren und sich aneignen
Es ist nicht verwunderlich, dass ein 1700 Jahre alter Text heutigen Vorstellungen fremd erscheint. Die Fragen, die ihm zugrunde liegen, bleiben jedoch aktuell. Sie finden Ausdruck in modernen Bekenntnistexten und Glaubensliedern4: Wer ist Jesus für mich und uns? Wie können wir Gott denken?
Die Formulierungen des «Credo» wollen von jeder Generation neu befragt und aufgeschlüsselt werden. Sie regen zum Dialog an über das, was Christ:innen als Glaubensgemeinschaft verbindet.
Lesetipps
– Andreas R. Batlogg, Jesus glauben. Wie alte Formeln lebendig werden. Ein Essay. Ostfildern 2025.
– Susanne Haverkamp, Credo. Was Christen heute glauben. Paderborn 2025.
- Vgl. Heiner Wilmer: Herausgefordert durch Andersdenkende. Das Konzil von Nizäa und seine Impulse für heute, in: Herder Korrespondenz Spezial 1 (2025) S. 40ff.
- Die Feier der Eingliederung Erwachsener in die Kirche. Grundform. Trier 2001, Nr. 90.
- Das Feierbuch spricht von der «Übergabe» und der «Wiedergabe» des Glaubensbekenntnisses (lateinisch: traditio – redditio)
- Vgl. etwa die «Glaubenszeugnisse» im Katholischen Kirchengesangbuch der deutschsprachigen Schweiz (1998) Nr. 246.
Bildnachweise: Titelbild: Wandmalerei „Believe“ (Glauben). Unsplash@al_hortas/ Bild 1: Flämischer Wandteppich mit der Darstellung der ersten vier Artikel des Apostolischen Glaubensbekenntnisses, zw. 1475 and 1500 n. Chr. Wikimedia Commons / Bild 2: Erwachsenentaufe in einer Freikirche. Unsplash@photosoflogan / Bild 3: Schriftzug „Io ci credo“: Ich glaube daran. Unsplash@paolo_gregotti
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